Diagnoodle Blog Home > Sexuell übertragbare Krankheiten (STIs) > Syphilis (Treponema pallidum)
Syphilis ist eine sexuell übertragbare Infektion, die durch das Bakterium Treponema pallidum (abgekürzt: T. pallidum) verursacht wird. Obwohl die Erkrankung seit Jahrhunderten bekannt ist, hat sie in den letzten Jahren weltweit wieder an Bedeutung gewonnen. Für Ärzt:innen in der Klinik wie auch für niedergelassene Ärzt:innen stellt sich die Herausforderung, Syphilis rechtzeitig zu erkennen, korrekt zu diagnostizieren und leitliniengerecht zu behandeln.
Syphilis war im 20. Jahrhundert stark rückläufig, erlebt aber seit den 2000er Jahren wieder einen deutlichen Anstieg. Besonders betroffen sind Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) stiegen die gemeldeten Syphilisfälle in Deutschland bis 2022 deutlich (z. B. 8.305 Fälle in 2022). Global schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass jährlich rund 8 Millionen neue Syphilis-Infektionen auftreten (für Erwachsene zwischen 15 und 49 Jahren). Besonders problematisch ist der Anstieg der kongenitalen Syphilis, also der Übertragung der Infektion von der Mutter auf das ungeborene Kind. Diese Fälle wären durch konsequente Screening-Programme in der Schwangerschaft oft vermeidbar.
Treponema pallidum ist ein schraubenförmiges Bakterium (Spirochäte). Es gehört zur Familie der Treponemataceae. Das Bakterium ist extrem empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen und kann nur im menschlichen Körper überleben. Es wird fast ausschließlich durch sexuellen Kontakt oder diaplazentar von der Mutter auf das Kind übertragen.
Die wichtigsten Eigenschaften von T. pallidum:
Eigenschaft | Beschreibung |
---|---|
Morphologie | Dünne, spiralige Form, nur im Dunkelfeldmikroskop sichtbar |
Beweglichkeit | Korkenzieherartige Rotation |
Überlebensfähigkeit | Außerhalb des Wirts nur wenige Stunden |
Infektiosität | Sehr hoch, schon geringe Erregermengen reichen für eine Ansteckung |
Nach Eintritt über Schleimhaut oder Hautläsionen gelangt T. pallidum rasch ins Blut- und Lymphsystem. Dort breitet es sich systemisch aus. Charakteristisch ist die Fähigkeit, lange in einer Latenzphase im Körper zu überdauern, ohne Symptome zu verursachen. Die Immunabwehr reagiert zwar, kann das Bakterium aber nicht vollständig eliminieren. Daher kommt es bei unbehandelten Infektionen auch nach Jahren zu schweren Organschäden, etwa im zentralen Nervensystem oder am Herzen. Neuere Studien bestätigen diese Mechanismen der Persistenz und systemischen Ausbreitung (Wu et al., 2024).
Der Krankheitsverlauf wird klassisch in vier Stadien eingeteilt:
Stadium | Klinik | Besonderheiten |
---|---|---|
Primärsyphilis | Schanker (schmerzloses Ulkus) an der Eintrittsstelle | Regionale Lymphadenopathie |
Sekundärsyphilis | Exanthem, Condylomata lata, Allgemeinsymptome | Systemische Ausbreitung |
Latenzstadium | Keine Symptome | Serologisch positiv |
Tertiärsyphilis | Gummen, kardiovaskuläre Syphilis, Neurosyphilis | Jahre bis Jahrzehnte nach Infektion |
Diese Stadien verdeutlichen die Notwendigkeit einer frühzeitigen Diagnose, da die Therapie im Frühstadium sehr effektiv ist, während Spätschäden häufig irreversibel sind.
Syphilis wird oft als „große Nachahmerin“ bezeichnet, weil sie zahlreiche andere Krankheiten imitiert. Hautausschläge können z. B. mit Herpes simplex, Psoriasis oder HIV-assoziierten Dermatosen verwechselt werden. Ulzera im Genitalbereich ähneln denen bei Herpes genitalis oder Chancroid.
Eine aktuelle Fallserie in The Great Mimicker: Forgotten but not Gone dokumentiert, wie Syphilis in einigen Fällen über Monate fälschlich als Hauterkrankung behandelt wurde und erst durch Verlaufsbeobachtung und gezielte Tests korrekt diagnostiziert wurde (Fenner et al., 2025).
Für die Praxis bedeutet das: Ein breites klinisches Denken ist unerlässlich. Bei unklaren Ulzera oder generalisierten Hautausschlägen sollte Syphilis stets Teil der Differenzialdiagnose sein.
Syphilis wird entweder im Labor oder per Point-of-Care-Test (POCT) diagnostiziert. Antikörpertests sind Standard im Labor, während Schnelltests am Behandlungsort in wenigen Minuten Ergebnisse liefern. In speziellen Fällen kann Treponema pallidum direkt durch Mikroskopie oder die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) nachgewiesen werden.
Studien zeigen eine hohe Genauigkeit laborbasierter Tests (Xie et al., 2023), sowie gute Ergebnisse von Multiplex- und Dual-Schnelltests, die sich für Screening-Situationen eignen (Eliopoulos et al., 2025).
Damit bleibt die Labordiagnostik unverzichtbar, POCT ergänzt sie durch schnelle Entscheidungen.
Besonders relevant ist die enge Verbindung zwischen Syphilis und HIV. Menschen mit HIV haben ein erhöhtes Risiko, sich mit Treponema pallidum zu infizieren, und entwickeln oft schwerere oder atypische Verläufe. Umgekehrt kann eine Syphilis-Infektion das Risiko einer HIV-Übertragung durch Schleimhautläsionen deutlich erhöhen. Eine aktuelle Kohortenstudie aus der Türkei berichtet, dass in einer Gruppe HIV-positiver Patient:innen 7,6% eine Syphilis-Koinfektion aufwiesen (Merdan et al., 2025).
Leitlinien empfehlen daher, bei jeder HIV-Diagnose auf Syphilis zu testen und umgekehrt. Dies gilt insbesondere in Hochrisikogruppen. Die S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Syphilis“ enthält entsprechende Empfehlungen (siehe Abschnitt 6: Screening und Kombinationsdiagnostik).
Die Behandlung der Syphilis folgt klaren Leitlinien. Standard ist Penicillin G, das je nach Stadium entweder intramuskulär oder intravenös verabreicht wird. In frühen Stadien genügt meist eine einmalige Injektion von Benzathin-Penicillin G, bei länger bestehender Infektion sind mehrere Gaben in wöchentlichen Abständen nötig. Bei Beteiligung des Nervensystems (Neurosyphilis) wird über mehrere Tage intravenös therapiert. Auch in der Schwangerschaft bleibt Penicillin G die Therapie der Wahl, da es für Mutter und Kind sicher ist.
Bei einer Allergie gegen Penicillin empfehlen die European Guidelines on the Management of Syphilis alternative Substanzen wie Doxycyclin oder Ceftriaxon. Nach Therapiebeginn kann es zur sogenannten Jarisch-Herxheimer-Reaktion mit Fieber und Schüttelfrost kommen, die meist innerhalb von 24 Stunden abklingt.
Die Prävention von Syphilis beruht vor allem auf dem Screening in der Schwangerschaft, um eine Übertragung auf das Kind zu verhindern. Ebenso wichtig sind Aufklärung über Safer-Sex-Praktiken und ein einfacher Zugang zu Tests. Durch Partnernachverfolgung lassen sich Infektionsketten wirksam unterbrechen. Für Kliniken und Praxen heißt das, Syphilis stets in die Differenzialdiagnose einzubeziehen, besonders bei unklaren Hautveränderungen, neurologischen Symptomen oder bei HIV-positiven Patient:innen.
Syphilis bleibt eine klinisch relevante und global zunehmende Infektion. Das Bakterium Treponema pallidum erfordert präzise Diagnostik und konsequente Therapie. Für Ärzt:innen in Klinik und Praxis gilt: früh erkennen, sicher diagnostizieren, leitliniengerecht behandeln. So lassen sich schwerwiegende Spätfolgen verhindern und Übertragungen vermeiden.
Treponemale Antikörpertests sind am sensitivsten für das Screening. Zur Beurteilung der Krankheitsaktivität werden zusätzlich nicht-treponemale Tests eingesetzt.
Antikörper gegen T. pallidum bleiben meist lebenslang bestehen, auch nach erfolgreicher Therapie. Der direkte Erregernachweis gelingt dagegen nur in frühen Stadien.
Standard ist eine einmalige intramuskuläre Injektion von Benzathin-Penicillin G. Bei Allergie kommen Doxycyclin oder Ceftriaxon infrage.
Durch die Kombination von treponemalen und nicht-treponemalen Tests lässt sich unterscheiden, ob eine Infektion aktuell aktiv ist oder ob lediglich Antikörperreste bestehen.
Bei Neurosyphilis kann es zu Meningitis, kognitiven Einschränkungen oder Rückenmarksschäden kommen. In diesen Fällen ist eine intravenöse Penicillin-Therapie notwendig.
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