
In kaum einem anderen Land wird die Qualität labordiagnostischer Untersuchungen so detailliert geregelt wie in Deutschland. Die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiliBÄK) ist weltweit einzigartig: Sie ist rechtlich verbindlich, gilt flächendeckend auch für Point-of-Care-Testing (POCT) und wird durch die ärztliche Selbstverwaltung geregelt.
Doch was bedeutet das konkret für POCT? Die RiliBÄK stellt auch für das Point-of-Care-Testing verbindliche Anforderungen mit direkten Konsequenzen für Kliniken, Praxen und Labore.
Seit ihrer Einführung im Jahr 2001 regelt die RiliBÄK verpflichtende Anforderungen zur internen und externen Qualitätssicherung, auch für POCT-Systeme. Obwohl sie kein Gesetz im engeren Sinne ist, wird sie in §9 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) als verbindlich aufgeführt. Somit hat sie unmittelbare rechtliche Konsequenzen für jede Einrichtung im Gesundheitswesen – von der Uniklinik bis zur Hausarztpraxis.
Insbesondere quantitative und semiquantitative POCT-Messungen sind betroffen. Die Einhaltung der Vorgaben ist daher verpflichtend und wird regelmäßig überprüft.
Die Nichtbeachtung der Richtlinie kann gravierende Folgen haben:
Aberkennung diagnostischer Befunde
Probleme bei der Abrechnung mit Krankenkassen
Gefährdung der Betriebserlaubnis
Haftungsrisiken im Schadensfall
Darüber hinaus wird die Einhaltung bei Akkreditierungen, Zertifizierungen (z. B. nach DIN EN ISO 15189) sowie behördlichen Begehungen streng kontrolliert.
Was zählt als POCT laut RiliBÄK?
POCT ist laut RiliBÄK patientennahe Diagnostik mit gebrauchsfertigen Reagenzien, die ohne zentrale Probenvorbereitung direkt am Ort der Patientenversorgung durchgeführt wird. Wenn Vollblut verwendet wird und keine Pipettierschritte notwendig sind, zählt das Gerät als POCT-System. Die Qualitätsverantwortung liegt beim zuständigen Labor, auch wenn das Gerät dezentral genutzt wird.
Interne Qualitätssicherung im Überblick
Mindestens eine Kontrollmessung pro Woche bei aktiver Nutzung
Kontrollproben mit abwechselnd niedriger und hoher Konzentration
Dokumentation mit Datum, Uhrzeit und Auswertung nach Fehlergrenzen
Externe Qualitätssicherung durch Ringversuche
Einrichtungen müssen an Ringversuchen teilnehmen, wenn:
der jeweilige Parameter in Anlage 1 der RiliBÄK gelistet ist und
ein entsprechendes Ringversuchsprogramm existiert
Ausnahme: Anbindung an ein Zentrallabor
Bei Online-Anbindung an ein Zentrallabor, das selbst an Ringversuchen teilnimmt, entfällt die Pflicht zur Teilnahme für einzelne Stationen. Voraussetzung: Klare Dokumentation und zentrale Qualitätsverantwortung.
Ein Ringversuch ist eine Maßnahme zur externen Qualitätssicherung, bei der teilnehmende Einrichtungen identische Proben unter Routinebedingungen analysieren. Diese Proben stammen von zertifizierten Anbietern wie dem Referenzinstitut für Bioanalytik (RfB). Die Ergebnisse werden anschließend zentral ausgewertet und mit Zielwerten verglichen. Einrichtungen erhalten eine Rückmeldung über die Genauigkeit ihrer Messergebnisse, häufig mit Farbcodierung und Bewertung.
Ein kommunales Krankenhaus nutzt POCT-Geräte zur Bestimmung von Troponin in der Notaufnahme. Die Systeme sind über eine Middleware mit dem Zentrallabor verbunden. Dort erfolgen zentrale Dokumentation, Bewertung der QC-Ergebnisse und Meldung an das Qualitätsteam. Das Krankenhaus nimmt regelmäßig an Ringversuchen teil. Neue Mitarbeitende absolvieren verpflichtende Schulungen, die vom POCT-Koordinator organisiert werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) begleitet die Umsetzung der RiliBÄK fachlich. Sie empfiehlt:
die Benennung eines POCT-Koordinators pro Einrichtung
regelmäßige Schulungen des Anwenderpersonals
den Einsatz von SOPs (Standard Operating Procedures) für POCT
eine möglichst bidirektionale IT-Anbindung zur Dokumentation
Die internationale Norm ISO 15189 beschreibt Anforderungen an Qualität und Kompetenz medizinischer Labore. Sie umfasst auch POCT, insbesondere im Hinblick auf Validierung, Rückverfolgbarkeit und Risikomanagement. In Deutschland ist die ISO 15189 freiwillig, kann jedoch ergänzend zur RiliBÄK angewendet werden, z. B. bei Akkreditierungen.
✅ Einweisung und Schulung aller Nutzer:innen
✅ Wöchentliche interne Qualitätskontrollen
✅ Dokumentation gemäß RiliBÄK
✅ Teilnahme an Ringversuchen (wenn verpflichtend)
✅ Klare Verantwortlichkeiten definieren
✅ IT-Anbindung aufsetzen oder erweitern
Die RiliBÄK verlangt auch für POCT eine strukturierte Qualitätssicherung. Das mag aufwendig erscheinen, ist aber medizinisch wie rechtlich essenziell. Gerade in hektischen Situationen, wie z.B. in der Notaufnahme, ist diagnostische Verlässlichkeit entscheidend. Hersteller und Anwender:innen sind gleichermaßen gefordert, die Vorgaben technisch und organisatorisch umzusetzen.
Ja. Die RiliBÄK gilt unabhängig vom Versorgungsniveau, also sowohl für Krankenhäuser als auch für niedergelassene Praxen. Sobald quantitative oder semiquantitative Messgrößen erfasst werden, ist die Qualitätssicherung gemäß RiliBÄK verpflichtend umzusetzen.
Laut RiliBÄK ist mindestens einmal pro Woche eine Kontrollmessung pro Gerät und Messgröße erforderlich – vorausgesetzt, es wurden Patientenproben analysiert. Die Kontrollwerte müssen dokumentiert und mit den Fehlergrenzen verglichen werden.
Die Teilnahme ist verpflichtend, wenn:
der gemessene Parameter in Anlage 1 der RiliBÄK gelistet ist, und
ein Ringversuchsprogramm dafür existiert.
Die Pflicht entfällt nur, wenn ein Zentrallabor die Qualitätssicherung übernimmt und selbst an Ringversuchen teilnimmt.
Grundsätzlich ja, solange sie vollständig, nachvollziehbar und dauerhaft ist. In der Praxis wird jedoch eine digitale Dokumentation empfohlen, da sie fehlerärmer, effizienter und besser auditierbar ist.
Die RiliBÄK ist in Deutschland gesetzlich verbindlich, die ISO 15189 hingegen eine internationale Norm für akkreditierte medizinische Labore. Beide enthalten Anforderungen an Qualität und Kompetenz, doch die RiliBÄK regelt konkret, was im Alltag umzusetzen ist, z. B. Kontrollintervalle, Fehlergrenzen und Ringversuche.
Die Inhalte richten sich an medizinisches Fachpersonal. Sie ersetzen keine Beratung, begründen kein Behandlungsverhältnis und erfolgen ohne Gewähr. Nutzung auf eigenes Risiko, Haftung ausgeschlossen.