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Gerinnungsstörungen sind in der klinischen Versorgung von großer Bedeutung, weil sie zu Blutungsereignissen oder thrombotischen Komplikationen führen können. Für die Patientensicherheit ist eine präzise und standardisierte Diagnostik entscheidend. Therapieentscheidungen beruhen auf diesen Ergebnissen, sie selbst sind aber nicht Teil der diagnostischen Verantwortung. Im Mittelpunkt stehen die Präanalytik, die Auswahl geeigneter Tests und die Möglichkeiten moderner Systeme, die auch direkt am Point of Care eingesetzt werden können.
In unserem Hauptartikel finden Sie einen Gesamtüberblick zum Thema Blutgerinnung: Moderne Tests, Therapie & Trends.
Gerinnungsstörungen beschreiben Abweichungen vom physiologischen Gleichgewicht zwischen Blutgerinnung und Blutstillung. Normalerweise sorgt die Gerinnung dafür, dass Blutungen nach Verletzungen gestoppt werden. Gleichzeitig verhindert das fibrinolytische System, dass sich im Gefäßsystem unnötige Gerinnsel bilden. Kommt es zu einer Störung, können entweder Blutungen auftreten oder das Risiko für Thrombosen steigt. Fachsprachlich spricht man bei einer erhöhten Blutungsneigung von einer hämorrhagischen Diathese, während eine erhöhte Thromboseneigung mit gesteigerter Aktivität des Gerinnungssystems verbunden ist.
Die Ursachen lassen sich in zwei Gruppen einteilen: angeborene und erworbene Gerinnungsstörungen.
Kategorie | Beispiele | Diagnostische Besonderheiten |
---|---|---|
Angeboren | Hämophilie A und B, Von-Willebrand-Syndrom | Faktoranalysen und Spezialtests in Referenzlaboren erforderlich |
Erworben | Lebererkrankungen, Vitamin-K-Mangel, Medikamente (Antikoagulanzien), disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) | Kombination aus Routineparametern und Zusatztests notwendig |
Angeborene Störungen sind seltener, ihre Diagnostik erfolgt in spezialisierten Zentren. Erworbene Störungen sind häufiger und treten besonders bei hospitalisierten Patient:innen auf. Sie erfordern eine strukturierte Abklärung mit Basislabor und gegebenenfalls weiterführenden Analysen.
Die klinische Symptomatik kann erste Hinweise geben. Häufig werden Hämatome oder Petechien beobachtet, die ohne Trauma auftreten. Auch verlängerte Blutungen nach kleinen Eingriffen oder häufige Schleimhautblutungen können auf eine Störung hinweisen. Bei Thromboseneigung stehen tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolien im Vordergrund. Diese Beobachtungen reichen jedoch nicht für eine Diagnose aus. Sie müssen durch Laborwerte bestätigt oder widerlegt werden, da die Symptome unspezifisch sind.
Die Präanalytik ist der Abschnitt der Diagnostik, in dem die meisten Fehler entstehen. Gerade in der Gerinnungsdiagnostik können schon kleine Abweichungen zu verfälschten Ergebnissen führen. Entscheidend ist, dass Citrat-Röhrchen korrekt befüllt werden, da das Mischungsverhältnis zwischen Blut und Antikoagulans exakt stimmen muss. Hämolyse durch falsche Abnahme oder Transport kann die Ergebnisse ebenso stark beeinflussen. Eine aktuelle Studie zeigt etwa, dass ein zu niedriges Füllvolumen in Citratröhrchen zu Verdünnungseffekten und falschen Verlängerungen der Gerinnungszeiten führen kann (Brice, 2023).
Auch die Zeit spielt eine Rolle: Proben sollten möglichst zeitnah ins Labor gelangen und innerhalb von vier Stunden weiterverarbeitet werden, um stabile Resultate zu erhalten. Lagerung und Transporttemperatur sind ebenfalls kritisch. Zusätzlich müssen patientenbezogene Faktoren wie die Einnahme von Antikoagulanzien dokumentiert werden. Nur wenn alle präanalytischen Schritte standardisiert und nachvollziehbar erfolgen, lassen sich Ergebnisse zuverlässig interpretieren.
In der Basisdiagnostik stehen standardisierte Parameter zur Verfügung, die eine erste Einordnung erlauben. Dazu zählt die Prothrombinzeit, auch Quick-Wert oder INR genannt, mit der das extrinsische Gerinnungssystem beurteilt wird. Die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) dient der Beurteilung des intrinsischen Systems. Beide Tests geben Hinweise, in welchem Abschnitt der Gerinnungskaskade eine Störung vorliegen könnte. Ergänzend wird die Thrombozytenzahl bestimmt, weil Blutplättchen für die primäre Hämostase entscheidend sind. Das Fibrinogen ist ein zentraler Faktor für die Fibrinbildung und reagiert zusätzlich als Akut-Phase-Protein bei Entzündungen. D-Dimere schließlich sind Abbauprodukte von Fibrin und zeigen an, ob eine gesteigerte Gerinnungs- und Fibrinolyse-Aktivität besteht, wie sie bei Thrombosen oder einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) vorkommen kann. Für spezielle Fragestellungen sind weiterführende Verfahren wie Faktorbestimmungen, Thrombozytenfunktionsanalysen oder genetische Tests notwendig, insbesondere bei angeborenen Erkrankungen oder atypischen Befunden.
Eine aktuelle Quelle bestätigt, dass die am häufigsten durchgeführten Gerinnungs-Screeningtests in Laboratorien weltweit PT, INR, aPTT, Fibrinogen und Thrombozytenzahl sind, und sie bilden die Basisdiagnostik bei Coagulopathien (Danilatou & Zubair, 2024).
Neben den klassischen Laboruntersuchungen gewinnen Point-of-Care-Tests für Thrombozyten, PT/INR, aPTT, Fibrinogen, D-Dimere, ACT und Viskoelastometrie zunehmend an Bedeutung. Sie ermöglichen Messungen direkt am Patientenbett oder in unmittelbarer Nähe der Versorgungseinheit. Der Vorteil liegt in der Geschwindigkeit: Ergebnisse stehen innerhalb weniger Minuten zur Verfügung. Besonders in Notfällen, bei Operationen oder auf Intensivstationen ist dieser Zeitfaktor entscheidend. Eine aktuelle Übersichtsarbeit beschreibt Point-of-Care-Testing als „transformative“ Methode in der Intensiv- und Notfallmedizin, da es schnelle und zuverlässige Ergebnisse liefert, die wesentliche Einflüsse auf das Patientenmanagement haben (Dabla & Dabas, 2025).
Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch die Integration in digitale Systeme. Über Schnittstellen wie HL7 oder POCT1-A können Ergebnisse unmittelbar in das Krankenhausinformationssystem übernommen werden. Das reduziert Fehlerquellen bei der Dokumentation und erhöht die Transparenz. Die Entwicklung geht nicht nur in Richtung schnellerer Messung, sondern auch in Richtung vernetzter, standardisierter Datenflüsse. Ein aktuelles Konzept demonstriert, wie Laborergebnisse, die am Point of Care gewonnen werden, direkt mittels HL7-FHIR in digitale Versorgungskonzepte eingebunden werden können (Inacio et al., 2024).
Die Diagnostik von Gerinnungsstörungen schafft die Grundlage für ärztliche Entscheidungen. Für Fachkräfte im Labor oder in der Präanalytik liegt die Aufgabe darin, valide und reproduzierbare Ergebnisse bereitzustellen. Dazu gehört die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Störungen, die Abklärung erworbener Ursachen wie Medikamenteneffekten oder Leberfunktionsstörungen und die Einschätzung, ob eher ein erhöhtes Blutungs- oder Thromboserisiko vorliegt. Die Ergebnisse fließen anschließend in die klinische Beurteilung ein. Auf dieser Basis entscheiden Ärzt:innen über das weitere Vorgehen, etwa ob eine bildgebende Diagnostik angeschlossen wird oder welche therapeutischen Schritte notwendig sind. Damit ist klar: Die Diagnostik nimmt eine Schlüsselstellung ein, sie selbst trifft jedoch keine Therapieentscheidungen, sondern liefert die objektiven Daten dafür.
Eine aktuelle Studie zur diagnostischen Genauigkeit und klinischen Nutzbarkeit von Gerinnungs-Scoring-Systemen – etwa bei disseminierter intravasaler Gerinnung – unterstreicht, wie essenziell zuverlässige Laborbefunde für die konstruktive ärztliche Entscheidungsfindung sind (Chaithanya et al., 2024).
Gerinnungsstörungen sind komplexe Krankheitsbilder, die nur mit strukturierter Diagnostik zuverlässig erkannt werden können. Die Präanalytik bildet dabei die Grundlage, da schon kleine Fehler zu falschen Ergebnissen führen können. Standardisierte Labortests erlauben eine erste Orientierung, während spezialisierte Analysen und moderne Point-of-Care-Systeme zusätzliche Sicherheit und Geschwindigkeit in die Prozesse bringen. Für Gesundheitsfachkräfte besteht die Hauptaufgabe darin, durch korrektes Arbeiten in Präanalytik und Diagnostik eine solide Basis für ärztliche Entscheidungen zu schaffen.
Weil schon kleine Fehler bei Entnahme, Transport oder Lagerung von Proben zu falschen Ergebnissen führen können, die die Diagnostik von Gerinnungsstörungen verfälschen.
Zu den wichtigsten Laboruntersuchungen bei Gerinnungsstörungen gehören die Prothrombinzeit, die aktivierte partielle Thromboplastinzeit, die Thrombozytenzahl, Fibrinogen und D-Dimere.
Point-of-Care-Tests für Gerinnungsstörungen liefern Ergebnisse innerhalb weniger Minuten und werden vor allem in Notfällen, bei Operationen und auf Intensivstationen genutzt.
Antikoagulanzien verändern zahlreiche Laborwerte und müssen daher bei jeder Untersuchung im Zusammenhang mit Gerinnungsstörungen dokumentiert werden.
Die Diagnostik stellt valide Ergebnisse zu Gerinnungsstörungen bereit, die ärztliche Entscheidung über die konkrete Behandlung erfolgt auf dieser Grundlage.
Die Inhalte richten sich an medizinisches Fachpersonal. Sie ersetzen keine Beratung, begründen kein Behandlungsverhältnis und erfolgen ohne Gewähr. Nutzung auf eigenes Risiko, Haftung ausgeschlossen.