Leukozyten im Urin: Diagnostik & klinische Konsequenzen

Hinweis: Dieser Artikel richtet sich ausschließlich an medizinische Fachkreise.

Einleitung

Leukozyten im Urin sind ein häufiger Befund in Praxis und Klinik. Weiße Blutkörperchen spielen eine zentrale Rolle in der Immunabwehr. Werden sie im Urin nachgewiesen, liegt meist eine Entzündung im Bereich der Harnwege oder Nieren vor.

In der Fachsprache spricht man von Leukozyturie. Häufig steckt eine Infektion dahinter, doch auch Steine, Medikamente oder Tumoren können die Ursache sein. Für Ärztinnen, Ärzte und Fachpersonal bedeutet das: Der Befund muss im klinischen Gesamtkontext eingeordnet werden, um zu sinnvollen Entscheidungen zu gelangen.

Einen umfassenden Überblick über die medizinische Relevanz der Urinanalyse bietet der Artikel „Urin: Bedeutung, Diagnostik und Konsequenzen in der Medizin“.

Definition und klinische Relevanz

Unter Leukozyturie versteht man das vermehrte Auftreten weißer Blutkörperchen im Urin. Normalerweise ist dieser nahezu frei von Zellen. Ein Nachweis deutet daher fast immer auf eine pathologische Veränderung hin.

Klinisch wird die Diagnose meist über Urinteststreifen gestellt, die das Enzym Leukozyten-Esterase erfassen. Ergänzend kann die Zahl der Leukozyten mikroskopisch gezählt werden. Ein erhöhter Wert weist auf eine entzündliche Reaktion hin, die infektiöse oder nicht-infektiöse Ursachen haben kann.

Am häufigsten sind bakterielle Infektionen der Harnwege verantwortlich. Daneben kommen Steine, Medikamente, Tumoren oder systemische Erkrankungen wie eine interstitielle Nephritis in Betracht. Damit bleibt die Leukozyturie ein unspezifischer, aber klinisch relevanter Marker, der immer mit Anamnese, Symptomatik und weiterer Diagnostik bewertet werden muss (Deutsche Gesellschaft für Urologie, S3-Leitlinie Harnwegsinfektionen).

Mehr zu den wichtigsten Parametern lesen Sie in den Artikeln zu Erythrozyten im Urin, Protein im Urin, Nitrit im Urin und ph-Wert im Urin.

Ursachen von Leukozyten im Urin

Die Ursachen lassen sich in infektiöse und nicht-infektiöse Kategorien gliedern. Am häufigsten treten bakterielle Harnwegsinfektionen auf. Sie entstehen, wenn Bakterien in die Blase oder bis ins Nierenbecken aufsteigen. Typisch sind Dysurie, Pollakisurie und Fieber. Gelangen die Erreger weiter nach oben, droht eine Pyelonephritis mit Flankenschmerz und reduziertem Allgemeinzustand.

Nicht-infektiöse Ursachen sind seltener, müssen aber berücksichtigt werden. Dazu gehören Nierensteine, die Schleimhautreizungen hervorrufen, Tumoren der Harnwege oder Nieren sowie Medikamentennebenwirkungen, etwa durch eine immunvermittelte Nephritis.

Für die Praxis bedeutet das: Die Bandbreite möglicher Ursachen ist groß, die Konsequenzen reichen von ambulanter Antibiotikatherapie bis hin zu komplexer onkologischer Abklärung (Tien et al., 2025).

Diagnostische Verfahren

In den meisten Fällen beginnt die Abklärung mit einem Urinteststreifen. Dieses einfache Verfahren eignet sich als Screening, reicht aber nicht für eine sichere Diagnose.

Die Mikroskopie des Urinsediments liefert genauere Informationen zur Zahl der Leukozyten und zu begleitenden Befunden wie Kristallen oder Erythrozyten. Als Goldstandard gilt jedoch die Urinkultur. Sie erlaubt den Nachweis spezifischer Erreger und die Bestimmung von Resistenzen.

Wenn komplizierte Ursachen im Raum stehen, etwa Steine oder Raumforderungen, werden bildgebende Verfahren eingesetzt. Ultraschall ist erste Wahl, Computertomographie bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten.

Neben klassischen Teststreifen stehen heute auch automatisierte Point-of-Care-Verfahren zur Verfügung, die standardisierte Ergebnisse innerhalb kurzer Zeit liefern. Sie verringern Ablesefehler und beschleunigen Entscheidungen im ambulanten wie stationären Setting (Tomlinson et al., 2024).

Leukozyten im Urin

Klinische Bedeutung für die Therapie

Der Nachweis einer Leukozyturie allein reicht nicht, um eine Therapie zu beginnen. Erst die Kombination mit klinischen Symptomen und weiteren Befunden erlaubt eine fundierte Entscheidung.

Bei unkomplizierter Zystitis mit Dysurie und Pollakisurie wird meist eine kurzfristige Antibiotikatherapie eingeleitet. Die lokale Resistenzlage sollte berücksichtigt werden. Bei Pyelonephritis ist eine stationäre Aufnahme mit intravenöser Therapie erforderlich. Liegt eine nicht-infektiöse Ursache wie ein Tumor oder eine medikamenteninduzierte Nephritis vor, ist eine spezialisierte Abklärung notwendig.

Damit ist klar: Leukozyten im Urin sind nur ein Puzzleteil. Erst das Zusammenspiel von klinischem Bild, Anamnese und Diagnostik führt zu einer adäquaten Behandlung (Nelson et al., 2024).

Besondere Patientengruppen

Die Bedeutung einer Leukozyturie variiert zwischen Patientengruppen.

Bei Schwangeren muss selbst eine asymptomatische Leukozyturie ernst genommen werden, da sie auf eine Bakteriurie hinweisen kann. Unbehandelt erhöht diese das Risiko für Pyelonephritis und Frühgeburten (Mayomba et al., 2024).

Bei älteren Menschen ist die Interpretation schwieriger. Häufig zeigen sie unspezifische Symptome wie Verwirrtheit, die auf Infektionen hindeuten können. Zugleich treten chronische, klinisch wenig relevante Veränderungen auf.

Bei immunsupprimierten Patient:innen, etwa nach Organtransplantation oder unter Chemotherapie, erfordern schon diskrete Symptome eine rasche Abklärung. Infektionen können hier sehr schnell schwer verlaufen.

Vermeidung unnötiger Antibiotikatherapie

Ein großes Risiko ist die Übertherapie. Oft wird schon bei einem positiven Teststreifen ein Antibiotikum verschrieben, selbst wenn keine Symptome bestehen. Leitlinien empfehlen jedoch, asymptomatische Patient:innen nur in Ausnahmen zu behandeln, etwa während der Schwangerschaft oder vor urologischen Eingriffen.

In allen anderen Fällen sollte erst eine Kombination aus Symptomen und kulturellem Nachweis zur Therapie führen. So lassen sich Resistenzen und unnötige Nebenwirkungen vermeiden.

Wie wirksam dieses Vorgehen ist, zeigt eine große Untersuchung aus den USA: Dort senkte ein Antibiotic-Stewardship-Programm die Zahl unnötiger Urinkulturen und Verordnungen deutlich, ohne Nachteile für Patient:innen (Grigoryan et al., 2022).

Leukozyten im Urin: Fazit

Leukozyten im Urin sind ein unspezifischer, aber wichtiger Befund. Sie zeigen eine Entzündung an, ohne die Ursache eindeutig zu benennen. Für die Therapie zählt der klinische Kontext: Symptome, Anamnese und ergänzende Diagnostik. Moderne Verfahren, einschließlich Point-of-Care-Tests, erleichtern schnelle Entscheidungen. Die Herausforderung bleibt, Infektionen konsequent zu behandeln und gleichzeitig unnötige Antibiotikatherapien zu vermeiden.

Frequently Asked Questions (FAQs) zu Leukozyten im Urin

Wie aussagekräftig ist eine isolierte Leukozyturie?

Sie ist unspezifisch und ohne Symptomatik meist nicht therapiebedürftig.

Bei komplizierten Infekten, Pyelonephritisverdacht oder Rezidiven ist sie obligat.

Sie weist auf nicht-infektiöse Ursachen wie Steine, Tumoren oder interstitielle Nephritis hin.

Sie ist häufig, aber ohne Symptome in der Regel nicht behandlungsbedürftig.

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