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Blut im Urin ist für Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal ein wichtiges Warnsignal. Es kann Ausdruck vielfältiger Pathologien sein – von infektiösen Erkrankungen bis zu malignen Tumoren – und erfordert immer eine strukturierte Abklärung. Entscheidend ist dabei die diagnostische Strategie: Nur durch ein systematisches Vorgehen lassen sich Ursachen sicher identifizieren und die richtigen therapeutischen Schritte einleiten.
Einen umfassenden Überblick über die medizinische Relevanz der Urinanalyse bietet der Artikel „Urin: Bedeutung, Diagnostik und Konsequenzen in der Medizin“.
Der Fachbegriff für Blut im Urin lautet Hämaturie.
Mikrohämaturie bezeichnet den Nachweis von ≥ 3 Erythrozyten pro Gesichtsfeld im Urinsediment, ohne dass eine makroskopische Verfärbung vorliegt.
Makrohämaturie liegt vor, wenn der Urin durch Blut sichtbar rot oder braun verfärbt ist.
Beide Formen erfordern eine Abklärung. Neben der klassischen Urinsedimentuntersuchung kommen heute auch standardisierte Urin-Tests sowie moderne Urin Analysegeräte zum Einsatz, die eine zuverlässige und reproduzierbare Erfassung der Befunde ermöglichen. Die S3-Leitlinie Abklärung der Mikro-Hämaturie bei Kindern und jungen Erwachsenen zur Früherkennung von Nierenerkrankungen betont, dass insbesondere die Makrohämaturie ein dringliches Symptom darstellt, das sofortige weiterführende Diagnostik nach sich ziehen sollte (Deutsche Gesellschaft für Urologie).
Mehr zu den wichtigsten Parametern lesen Sie in den Artikeln zu Leukozyten im Urin, Protein im Urin, Nitrit im Urin und ph-Wert im Urin.
Die Ursachen von Blut im Urin sind vielfältig und reichen von infektiösen bis hin zu onkologischen Erkrankungen. Für Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal ist es entscheidend, die gesamte Bandbreite möglicher Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen.
Kategorie | Beispiele | Diagnostische Hinweise |
---|---|---|
Infektionen | Zystitis, Pyelonephritis | Dysurie, Fieber, Leukozyturie |
Urolithiasis | Nieren und Harnleitersteine | Koliken, Flankenschmerz, intermittierende Mikrohämaturie |
Malignome | Blasenkarzinom, Nierenzellkarzinom, Ureterkarzinom | Schmerzlose Makrohämaturie, Risikopatient:innen > 40 J. |
Glomeruläre Erkrankungen | Glomerulonephritis, IgA Nephropathie | Dysmorphe Erythrozyten, Proteinurie, Erythrozytenzylinder |
Trauma / iatrogen | Katheter, Operation, Unfall | Zeitlicher Zusammenhang, Hämatome |
Systemische Ursachen | Antikoagulation, Gerinnungsstörungen | anamnestisch erfragbar |
Das klinische Setting ist entscheidend: Während in der Notaufnahme häufig Steine und Infektionen im Vordergrund stehen, ist im elektiven Bereich die Abklärung möglicher Malignome zentral.
Die Diagnostik folgt einem stufenweisen Schema, das in Leitlinien klar definiert ist.
1. Anamnese
Dauer, Art und Verlauf der Hämaturie
Begleitsymptome: Schmerzen, Fieber, Gewichtsverlust, Ödeme
Medikamentenanamnese: Antikoagulanzien, Chemotherapeutika
Risikoprofil: Alter, Nikotinabusus, berufliche Exposition
2. Basisdiagnostik
Urinteststreifen: hohes Screening-Potenzial, aber unspezifisch
Urinsediment: Differenzierung dysmorpher (glomerulärer Ursprung) vs. isomorpher Erythrozyten
Blutuntersuchungen: Nierenwerte (Kreatinin, eGFR), Entzündungsmarker (CRP), Blutbild
3. Bildgebende Verfahren
Sonographie: First-line-Methode, orientierend und nicht invasiv
CT-Urographie: Goldstandard bei Verdacht auf Tumoren oder Steine, insbesondere bei Risikopatient:innen
MRT: Alternative bei Kontrastmittelkontraindikationen oder speziellen Fragestellungen
4. Endoskopische Abklärung
Zystoskopie: unverzichtbar bei Makrohämaturie
Ureterorenoskopie: gezielte Abklärung des oberen Harntrakts bei unklarem Befund
Zusätzlich zur klassischen Bildgebung und endoskopischen Verfahren stehen verschiedene spezifische Marker zur Verfügung. Eine wichtige Methode ist die Urinzytologie, die vor allem bei hochgradigen urothelialen Tumoren eine hohe Sensitivität erreicht, jedoch bei niedriggradigen Veränderungen nur eingeschränkt aussagekräftig ist. Ergänzend können Urin-Biomarker wie NMP22 oder der UroVysion-FISH-Test eingesetzt werden. Sie sind in der Lage, zusätzliche Hinweise auf urotheliale Malignome zu geben, stellen jedoch keinen Ersatz für die Zystoskopie dar (Anderson et al., 2023).
Für die Abgrenzung glomerulärer Ursachen spielt die Proteinurie-Analytik eine zentrale Rolle. Hier können insbesondere dysmorphe Erythrozyten und begleitende Proteinurie auf eine nephrologische Genese hinweisen. Von besonderer Bedeutung ist auch die Bestimmung von Urin-Albumin, das als Frühmarker glomerulärer Pathologien gilt und in der Differenzialdiagnostik wertvolle Informationen liefert. Die Bedeutung der Proteinurie für Progression und Prognose bei Nierenschäden ist in aktuellen Übersichtsarbeiten belegt (Longhitano et al., 2024).
Die Einbindung solcher Marker kann dazu beitragen, diagnostische Pfade zu optimieren und die Abklärung gezielter zu gestalten. Dennoch bleibt ihr Einsatz immer kontextabhängig und sollte in die Gesamtstrategie der Hämaturie-Diagnostik integriert werden.
Hämaturie wird nicht selten im Rahmen von Screening- oder Routineuntersuchungen festgestellt, häufig als Zufallsbefund bei asymptomatischen Patient:innen. In solchen Fällen stellt sich für Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal die Frage nach dem angemessenen differenzierten Vorgehen. Leitlinien empfehlen, dass selbst eine asymptomatische Mikrohämaturie abgeklärt werden sollte, um klinisch relevante Ursachen wie Tumoren oder nephrologische Erkrankungen nicht zu übersehen. Eine neuere Studie von Lotan et al. zeigte, dass der Urinmarker CxBladder Triage bei asymptomatischer Mikrohämaturie eine Sensitivität von 89% und einen negativen Vorhersagewert von 99% erreichen kann, was potenziell die Risikostratifikation unterstützt (Lotan et al., 2024).
Besondere Aufmerksamkeit erfordern Hochrisikopatient:innen. Dazu zählen Personen über 40 Jahre, Patient:innen mit Nikotinabusus sowie Menschen mit beruflicher Exposition gegenüber aromatischen Aminen. In diesen Gruppen ist stets eine vollständige Abklärung indiziert, da das Risiko für urotheliale Malignome signifikant erhöht ist. Die Studie von de Jong et al. belegt, dass ein genomischer Urinmarker zusätzlich zur klassischen Risikostratifikation die Prädiktionskraft verbessern kann, insbesondere bei Patient:innen mit intermediärem Risiko (de Jong et al., 2023).
Demgegenüber können jüngere Patient:innen ohne Risikofaktoren, bei denen sich eine klare Ursache wie eine unkomplizierte Zystitis nachweisen lässt, zunächst in einem engmaschigen Verlauf beobachtet werden, sofern die Symptome vollständig verschwinden und die Kontrolle unauffällig bleibt.
Die strukturierte Risikostratifikation ermöglicht es, unnötige Eingriffe und Überdiagnostik zu vermeiden und gleichzeitig gefährliche Verzögerungen bei der Diagnose schwerwiegender Erkrankungen auszuschließen.
Blut im Urin ist ein Symptom mit erheblicher klinischer Tragweite. Für Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal bedeutet es stets, eine differenzierte Diagnostik einzuleiten. Von der Basisdiagnostik bis zu hochspezialisierten Verfahren stehen zahlreiche Instrumente zur Verfügung. Die konsequente Anwendung eines strukturierten Abklärungspfades ermöglicht eine sichere Diagnosestellung und verhindert, dass relevante Pathologien übersehen werden. Neben der medizinischen Ebene ist auch die organisatorische Dimension zentral: Nur wenn Kliniken und Praxen über die nötige diagnostische Infrastruktur verfügen, lassen sich Patient:innen leitliniengerecht und effizient versorgen.
Die deutsche S3-Leitlinie „Hämaturie“ (DGU, 2023) empfiehlt eine stufenweise Abklärung mit Urinsediment, Bildgebung und ggf. Zystoskopie.
Sie gilt als Goldstandard zur Tumor- und Steindetektion, insbesondere bei Risikopatient:innen und Makrohämaturie.
Dysmorphe Erythrozyten und Erythrozytenzylinder im Urinsediment sprechen für eine glomeruläre Genese.
Jede Makrohämaturie und jede persistierende Mikrohämaturie bei Risikopatient:innen erfordert eine Blasenspiegelung.
Sie ermöglichen eine schnelle Orientierung am Point of Care, sind aber nur der erste Schritt und ersetzen nicht die zentrale Diagnostik.
Die Inhalte richten sich an medizinisches Fachpersonal. Sie ersetzen keine Beratung, begründen kein Behandlungsverhältnis und erfolgen ohne Gewähr. Nutzung auf eigenes Risiko, Haftung ausgeschlossen.