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Die kapilläre BGA (Blutgasanalyse) ist eine Methode zur Messung von Blutgasen, Elektrolyten und weiteren Parametern aus kapillärem Blut. Studien und Leitlinien zeigen, dass kapilläre Blutgasanalysen insbesondere pH und pCO₂ meist akkurat widerspiegeln, während pO₂-Werte häufig systematisch niedriger sind und vorsichtig interpretiert werden sollten (Brodkorb et al. 2022). Sie wird vor allem dort eingesetzt, wo eine schnelle und wenig invasive Diagnostik erforderlich ist. Für Gesundheitsfachkräfte in Klinik und Praxis liefert sie wertvolle Informationen zum Säure-Basen-Haushalt, zur Oxygenierung sowie zur metabolischen Situation von Patient:innen.
Einen umfassenden Überblick zur Methode, Durchführung und klinischen Anwendung finden Sie im Beitrag Blutgasanalyse: Grundlagen, Praxis und klinische Bedeutung.
Bei der kapillären Blutgasanalyse werden wenige Tropfen Blut aus Fingerbeere, Ohrläppchen oder Ferse (bei Neugeborenen) entnommen. Im Gegensatz zur arteriellen BGA, die über Punktion einer Arterie erfolgt, ist die kapilläre Variante weniger belastend.
Typische Parameter sind:
Sauerstoffpartialdruck (pO₂)
Kohlendioxidpartialdruck (pCO₂)
pH-Wert
Bikarbonat (HCO₃⁻)
Basenabweichung (BE)
Elektrolyte wie Natrium, Kalium, Kalzium
Laktat
Diese Werte geben Aufschluss über die Lungenfunktion, den Stoffwechsel und den Kreislaufzustand. Die Leitlinie der American Association for Respiratory Care betont, dass präanalytische Faktoren wie Temperatur, Durchblutung der Punktionsstelle sowie Probenhandhabung erheblichen Einfluss auf die Genauigkeit insbesondere von pO₂ haben. Typische Referenzwerte finden Sie im Artikel BGA-Normwerte verstehen.
Die kapilläre Blutgasanalyse hat sich in verschiedenen Szenarien etabliert, in denen Geschwindigkeit, Schonung der Patient:innen und praktikable Durchführung im Vordergrund stehen:
Pädiatrie und Neonatologie: Bei Neugeborenen ist eine arterielle Punktion mit hohem Risiko und Stress verbunden. Die kapilläre Entnahme aus der Ferse erlaubt eine schonende Diagnostik und eignet sich für häufige Kontrollen, z. B. bei Frühgeborenen mit Atemproblemen.
Intensivmedizin und Notaufnahme: Hier zählt jede Minute. Kapilläre Proben können sofort gewonnen und analysiert werden, ohne dass erst eine Arterie punktiert werden muss. So lassen sich Stoffwechsel- oder Atemstörungen rasch einschätzen und Therapien (z. B. Beatmung, Flüssigkeitstherapie) unmittelbar anpassen. Laut der S3-Leitlinie „Sauerstoff in der Akuttherapie beim Erwachsenen“ kann eine kapilläre BGA in Akutsituationen eine sinnvolle Alternative sein, wenn eine arterielle Probe nicht möglich ist, insbesondere zur Abschätzung von pH und pCO₂.
Hausärztliche Praxis: Viele Praxen verfügen nicht über die Infrastruktur für arterielle Punktionen. Mit der kapillären BGA können niedergelassene Ärzt:innen bei akuter Luftnot oder Verdacht auf Stoffwechselstörungen innerhalb weniger Minuten eine orientierende Diagnose stellen – eine wertvolle Hilfe, bevor über eine Klinikeinweisung entschieden wird.
Langzeitversorgung: Patient:innen mit chronischen Erkrankungen wie COPD profitieren von regelmäßigen Verlaufskontrollen. Da kapilläre Proben unkompliziert und wenig invasiv gewonnen werden, lassen sich Änderungen des klinischen Zustands engmaschig überwachen, ohne dass die Belastung durch wiederholte arterielle Punktionen entsteht. Speziell für COPD finden Sie den Artikel zum Thema Blutgasanalyse bei COPD: Schlüssel zur richtigen Therapie.
Parameter | Referenzbereich | Einheit |
---|---|---|
pH | 7,35 – 7,45 | – |
pCO₂ | 35 – 45 | mmHg |
pO₂* | 80 – 100 | mmHg |
HCO₃⁻ | 22 – 26 | mmol/L |
Basenabweichung BE | −2,0 – +2,0 | mmol/L |
Laktat | 0,5 – 2,2 | mmol/L |
Natrium Na⁺ | 135 – 145 | mmol/L |
Kalium K⁺ | 3,5 – 5,0 | mmol/L |
Calcium Ca²⁺ | 1,12 – 1,32 | mmol/L |
Chlorid Cl⁻ | 98 – 106 | mmol/L |
Hämatokrit | 0,36 – 0,48 | L/L |
*pO₂-Werte aus Kapillarblut sind unzuverlässig und sollten nur als grobe Orientierung genutzt werden.
Die kapilläre BGA unterstützt Gesundheitsfachkräfte bei einer Vielzahl klinisch relevanter Entscheidungen. Sie liefert nicht nur Messwerte, sondern hat direkten Einfluss auf die Wahl der Therapie und das weitere Vorgehen:
Respiratorische Störungen: Ein erhöhter Kohlendioxidpartialdruck (pCO₂) in der kapillären Blutgasanalyse weist auf Hypoventilation hin. Dies ist typisch bei Patient:innen mit Exazerbation einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder bei zentraler Atemdepression. Schon wenige Minuten nach Probengewinnung kann entschieden werden, ob eine nicht-invasive Beatmung begonnen oder die bestehende Therapie angepasst werden sollte. Auch der Verlauf einer respiratorischen Insuffizienz lässt sich so engmaschig kontrollieren, ohne wiederholt arterielle Punktionen durchführen zu müssen.
Metabolische Azidose: Ein erniedrigter pH-Wert kombiniert mit einem niedrigen Bikarbonatwert (HCO₃⁻) ist charakteristisch für eine metabolische Azidose. Häufige Ursachen sind eine diabetische Ketoazidose oder eine schwere Diarrhoe. Bei einem Diabetes-Notfall ermöglicht die kapilläre BGA die schnelle Bestätigung der Diagnose und die sofortige Einleitung einer Therapie mit Insulin, Elektrolyten und Flüssigkeit. Besonders in der Notaufnahme oder im hausärztlichen Setting liefert sie wertvolle Orientierung, bevor weiterführende Diagnostik vorliegt.
Laktaterhöhung: Ein erhöhter Laktatwert in der kapillären BGA deutet auf eine unzureichende Gewebeoxygenierung hin. Dies kann bei septischem Schock, Hypovolämie oder schwerer Hypoxie auftreten. Laktat ist nicht nur diagnostisch, sondern auch prognostisch relevant: Ein anhaltend erhöhter Wert spricht für eine ungünstige Prognose und zeigt die Dringlichkeit intensivmedizinischer Maßnahmen. Die schnelle Messung am Point of Care kann hier lebensrettend sein (Joseph et al., 2025).
Für zuverlässige Ergebnisse bei der kapillären Blutgasanalyse müssen mehrere Punkte streng beachtet werden. Eine Studie „Detection of preanalytical errors in arterial blood gas analysis“ (2020) zeigte, dass Luftblasen schon nach kurzer Zeit pO₂-Werte deutlich verfälschen und dass pCO₂ bei Raumtemperatur nach ca. 30 Minuten steigt. Schon kleine Abweichungen in der Probengewinnung oder -handhabung können die Messergebnisse verfälschen und damit zu falschen klinischen Entscheidungen führen.
Erwärmen der Punktionsstelle: Das Erwärmen (z. B. mit einem warmen Tuch oder einer Wärmelampe) verbessert die Durchblutung und fördert die arterielle Durchmischung des Kapillarbluts. Ohne diesen Schritt besteht die Gefahr, dass die Probe venöses Blut enthält und dadurch insbesondere pO₂-Werte unzuverlässig werden. Wann venöse Werte sinnvoll sind, lesen Sie hier: venöse BGA-Normwerte.
Verwendung heparinisierter Kapillaren: Heparin verhindert die Gerinnung des Blutes. Wird dieser Punkt vernachlässigt, können sich Mikrogerinnsel in der Kapillare bilden, die Messkammern verstopfen oder Messwerte verfälschen.
Sofortige Analyse im Point-of-Care-Gerät: Kapilläre Proben sind instabil. Schon wenige Minuten Verzögerung können zu Veränderungen von pH-Wert, pCO₂ oder Laktat führen, da Stoffwechselprozesse in den Blutzellen weiterlaufen. Deshalb sollten Proben unmittelbar nach der Entnahme in das Analysegerät eingebracht werden. Ein Überblick zu empfohlenen Vorgehensweisen findet sich in der Children’s Health Ireland Guideline: Capillary Blood Gas Sampling (2024).
Alle Einzelaspekte im Überblick finden Sie in unserem Themenschwerpunkt BGA in der Medizin.
Die kapilläre BGA ist ein wertvolles diagnostisches Instrument, das schnelle und patientenschonende Ergebnisse liefert. Sie ersetzt nicht in jedem Fall die arterielle BGA, bietet aber insbesondere in Pädiatrie, hausärztlicher Versorgung und Verlaufskontrolle eine praktische Alternative. Für Gesundheitsfachkräfte bedeutet dies eine verlässliche Basis für Entscheidungen mit direkter therapeutischer Konsequenz.
Die kapilläre Blutgasanalyse ist weniger invasiv, eignet sich für schnelle Verlaufskontrollen und die pädiatrische Anwendung. Die arterielle BGA liefert präzisere pO₂-Werte und ist Goldstandard bei kritisch kranken Patient:innen.
Für pH (7,35 bis 7,45), pCO₂ (35 bis 45 mmHg) und Bikarbonat (22–26 mmol/L) stimmen kapilläre Werte gut mit arteriellen überein. pO₂ ist kapillär nur orientierend nutzbar.
Kapillär ist ausreichend bei Verlaufskontrollen, in der Praxis oder bei pädiatrischen Patient:innen. Eine arterielle Analyse ist notwendig bei akuter respiratorischer Insuffizienz oder wenn exakte Sauerstoffwerte gebraucht werden.
Kapillär gemessene Laktatwerte gelten als klinisch verwertbar und zeigen frühzeitig Gewebehypoxie oder Schockzustände an, wenn die Probe sofort und korrekt analysiert wird.
Häufige Fehler sind unzureichendes Erwärmen der Punktionsstelle, Luftblasen in der Kapillare, verzögerte Messung oder fehlende Qualitätssicherung nach RiliBÄK.
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