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Die Blutgasanalyse (BGA) ist ein zentrales diagnostisches Werkzeug in Klinik und Praxis. Sie liefert Informationen über pH-Wert, Sauerstoff- und Kohlendioxid-Status sowie den Säure-Basen-Haushalt. Um Ergebnisse richtig zu interpretieren, sind die BGA-Normwerte entscheidend. Dieser Artikel erklärt die wichtigsten Parameter, ihre Normalbereiche und zeigt, welche diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen sich aus Abweichungen ergeben.
Einen umfassenden Überblick zur Methode, Durchführung und klinischen Anwendung finden Sie im Beitrag Blutgasanalyse: Grundlagen, Praxis und klinische Bedeutung.
Die Blutgasanalyse ist ein Laborverfahren zur Beurteilung von Atmung, Kreislauf und Stoffwechsel. Sie misst zentrale Parameter wie pH-Wert, Sauerstoffpartialdruck (pO₂), Kohlendioxidpartialdruck (pCO₂), Sauerstoffsättigung (sO₂) sowie berechnete Größen wie Bikarbonat (HCO₃⁻) und Basenüberschuss (BE). Häufig wird zusätzlich Laktat bestimmt, da es ein sensibler Marker für anaeroben Stoffwechsel und Schock ist.
Die Messung erfolgt mit Blutgasgeräten, die auf elektrochemischen und optischen Verfahren beruhen. Für den pO₂ wird meist eine Clark-Elektrode genutzt: Sauerstoff diffundiert durch eine Membran und erzeugt einen Strom, der proportional zur Konzentration ist. Der pCO₂ wird über eine Severinghaus-Elektrode ermittelt, die den CO₂-Eintritt in eine pH-sensitive Lösung registriert. Der pH-Wert selbst wird mit einer Glaselektrode bestimmt. Aus diesen Primärwerten berechnet das Gerät HCO₃⁻ und BE mithilfe der Henderson-Hasselbalch-Gleichung. Moderne Systeme messen zusätzlich sO₂ und Hämoglobinderivate mit optischen Sensoren.
Die Blutentnahme kann arteriell, venös oder kapillär erfolgen. Arterielles Blut – meist aus der Arteria radialis – liefert die zuverlässigsten Informationen zu Oxygenierung und Ventilation. Venöse Proben spiegeln den metabolischen Status wider, eignen sich aber weniger zur Beurteilung der Oxygenierung. Wann venöse Werte sinnvoll sind, lesen Sie hier: venöse BGA-Normwerte. Kapilläre Proben werden häufig in der Neonatologie oder in der hausärztlichen Versorgung eingesetzt, liefern jedoch nur Annäherungswerte. Für eine patientenschonende Diagnostik: kapilläre Blutgasanalyse in der Praxis.
Die folgende Tabelle zeigt die in der klinischen Praxis relevanten Normbereiche:
Parameter | Normwert | Bedeutung |
---|---|---|
pH-Wert | 7,35–7,45 | Maß für den Säure-Basen-Status |
pCO₂ (Kohlendioxidpartialdruck) | 35–45 mmHg | Reguliert durch die Lunge, Indikator für Ventilation |
pO₂ (Sauerstoffpartialdruck) | 75–100 mmHg | Maß für Oxygenierung des Blutes |
HCO₃⁻ (Bikarbonat) | 22–26 mmol/L | Pufferkomponente, zeigt metabolischen Status |
BE (Basenüberschuss) | –2 bis +3 mmol/L | Gibt Abweichungen vom normalen Pufferstatus an |
sO₂ (Sauerstoffsättigung) | 95–100 % | Anteil des mit O₂ gesättigten Hämoglobins |
Laktat | < 2 mmol/L | Marker für Gewebeoxygenierung und Schock |
Diese Werte gelten als Referenzbereiche. Abweichungen müssen immer im klinischen Kontext interpretiert werden.
Die Blutgasanalyse ist eines der wenigen Verfahren, das innerhalb weniger Minuten eine präzise Beurteilung lebensbedrohlicher Zustände ermöglicht. Abweichungen von den BGA-Normwerten weisen direkt auf Störungen des Gasaustauschs oder des Säure-Basen-Haushalts hin (Zhang et al., 2024). Eine Hypoxie (erniedrigter Sauerstoffpartialdruck, pO₂) zeigt eine unzureichende Oxygenierung des Blutes an, während eine Hyperkapnie (erhöhter Kohlendioxidpartialdruck, pCO₂) eine ventilatorische Insuffizienz signalisiert. Ein erniedrigter pH-Wert in Kombination mit vermindertem Bikarbonat (HCO₃⁻) ist Hinweis auf eine metabolische Azidose, wie sie bei Sepsis, Schock oder Ketoazidose auftritt.
Die klinischen Konsequenzen dieser Befunde sind unmittelbar: Bei einer Hypoxämie muss sofort Sauerstoff gegeben und – wenn die Oxygenierung nicht ausreichend steigt – eine Intubation oder invasive Beatmung erwogen werden. Eine Hyperkapnie erfordert eine Anpassung der Beatmung, beispielsweise durch Erhöhung des Atemzugvolumens oder der Atemfrequenz. Bei Schockzuständen geben erhöhte Laktatwerte Auskunft über die Suffizienz der Gewebeperfusion und leiten eine aggressive Volumen- oder Vasopressortherapie ein.
Auch therapeutische Strategien lassen sich an den Werten ausrichten: Eine respiratorische Azidose spricht primär für eine ventilatorische Unterstützung, während eine metabolische Azidose die Ursachenbehandlung verlangt – Insulin bei diabetischer Ketoazidose, Flüssigkeit und Antibiotika bei Sepsis oder Dialyse bei Nierenversagen. Nur in seltenen Extremfällen ist eine direkte Korrektur mit Bikarbonat sinnvoll.
Die Aussagekraft der BGA-Normwerte hängt entscheidend von der Präanalytik ab. Fehler bei Entnahme, Lagerung oder Transport können die Messergebnisse stark verfälschen und im schlimmsten Fall zu falschen diagnostischen oder sogar therapeutischen Konsequenzen führen (Çuhadar et al., 2022).
Bei der arteriellen Blutentnahme sollte ausschließlich eine heparinisierte Spritze verwendet werden. Luftblasen müssen konsequent vermieden werden, da bereits kleinste Mengen Sauerstoff in der Probe den Sauerstoffpartialdruck (pO₂) erhöhen und den Kohlendioxidpartialdruck (pCO₂) senken. Das Resultat wäre eine scheinbar verbesserte Oxygenierung bei gleichzeitig fälschlich angezeigter respiratorischer Alkalose.
Ebenso wichtig ist die Zeit bis zur Analyse. Ideal ist eine sofortige Messung innerhalb von zehn Minuten nach Entnahme. Verzögerungen führen zu Veränderungen durch den fortlaufenden Stoffwechsel im Blut: pO₂ sinkt, pCO₂ steigt, der pH-Wert verschiebt sich nach unten. Auch Laktat nimmt zu, wenn Erythrozyten weiterhin Glukose verstoffwechseln (Arbiol-Roca et al., 2020). Ist eine direkte Analyse nicht möglich, sollte die Probe gekühlt werden.
Neben der arteriellen Blutprobe kommen in der Praxis auch kapilläre Proben zum Einsatz, zum Beispiel bei Neugeborenen oder in Hausarztpraxen. Diese liefern nützliche Hinweise, sind jedoch weniger exakt in der Beurteilung der Oxygenierung. Für eine präzise Einschätzung der Ventilation bleibt die arterielle Blutprobe der Goldstandard. Mehr zur arteriellen BGA und ihren Normwerten.
Abweichungen von den BGA-Normwerten lassen sich in respiratorische und metabolische Störungen einteilen (Yee et al., 2022).
Respiratorische Veränderungen betreffen den Kohlendioxidpartialdruck (pCO₂). Steigt er über 45 mmHg, spricht man von einer respiratorischen Azidose. Sie entsteht durch eine unzureichende Ventilation, wie sie bei einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder bei einer akuten Atemwegsverlegung vorkommt. Speziell für COPD finden Sie hier eine Übersicht im Artikel Blutgasanalyse bei COPD: Schlüssel zur richtigen Therapie. Fällt der pCO₂-Wert hingegen unter 35 mmHg, liegt eine respiratorische Alkalose vor. Typisch ist dies bei Hyperventilation, die durch Hypoxie, Schmerzen, Angst oder metabolische Ursachen ausgelöst sein kann.
Metabolische Abweichungen zeigen sich vor allem im Bikarbonatwert (HCO₃⁻). Ein erniedrigter Wert unter 22 mmol/L weist auf eine metabolische Azidose hin. Häufige Ursachen sind eine diabetische Ketoazidose, eine Laktatazidose im Rahmen einer Sepsis oder ein akutes Nierenversagen. Steigt HCO₃⁻ über 26 mmol/L, spricht man von einer metabolischen Alkalose. Sie entwickelt sich oft nach längerem Erbrechen mit Verlust von Magensäure oder durch eine Therapie mit Diuretika, die den Elektrolythaushalt verschieben.
Für die Differenzierung zwischen diesen Störungen ist die gleichzeitige Beurteilung von pH-Wert, pCO₂ und HCO₃⁻ entscheidend. Nur so lässt sich eindeutig bestimmen, ob es sich um eine respiratorische oder metabolische Ursache handelt.
Abweichungen von den Normwerten haben direkte Konsequenzen für die Behandlung. Eine erniedrigte Sauerstoffsättigung oder ein niedriger Sauerstoffpartialdruck (pO₂) erfordert eine sofortige Sauerstoffgabe. Reicht dies nicht aus, müssen Patient:innen intubiert und beatmet werden. Ein erhöhter pCO₂-Wert mit begleitender respiratorischer Azidose verlangt eine Verbesserung der Ventilation (Thille et al., 2024). Dies kann nicht-invasiv durch Continuous Positive Airway Pressure (CPAP, kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) oder invasiv über eine maschinelle Beatmung erfolgen.
Bei einer metabolischen Azidose steht die Behandlung der Ursache im Vordergrund: Insulingabe und Flüssigkeitsersatz bei Ketoazidose, Volumen- und Antibiotikatherapie bei Sepsis oder Dialyse bei Nierenversagen. Eine Bikarbonatgabe ist nur in extremen Fällen gerechtfertigt. Die metabolische Alkalose erfordert eine Korrektur des Elektrolythaushalts, insbesondere von Kalium und Chlorid. Wird sie durch Diuretika verursacht, ist eine Anpassung oder ein Absetzen der Medikamente notwendig. In seltenen, schweren Fällen kann eine Säuregabe erwogen werden. Alle Einzelaspekte im Überblick finden Sie in unserem Themenschwerpunkt BGA in der Medizin.
Die BGA-Normwerte sind ein unverzichtbares Werkzeug für die Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis. Sie ermöglichen eine schnelle Einschätzung lebensbedrohlicher Zustände und leiten direkte therapeutische Maßnahmen ein. Durch die Kombination aus pH, pCO₂, pO₂, HCO₃⁻, BE, sO₂ und Laktat entsteht ein umfassendes Bild des respiratorischen und metabolischen Status. Für Ärzt:innen wie auch für Entscheidungsträger:innen im Gesundheitswesen ist ein fundiertes Verständnis dieser Werte zentral.
Die Normwerte liegen für den pH bei 7,35 bis 7,45 für den pCO₂ bei 35 bis 45 mmHg und für den pO₂ bei 75 bis 100 mmHg. Ergänzend gelten HCO₃⁻ 22 bis 26 mmol/L, Basenüberschuss –2 bis +3 mmol/L, Sauerstoffsättigung 95–100 % und Laktat < 2 mmol/L.
Ein erniedrigter pO₂ deutet auf Hypoxämie hin, ein erhöhter pCO₂ auf Hypoventilation. Eine Verschiebung von pH und HCO₃⁻ zeigt Störungen im metabolischen Bereich, wie Azidose oder Alkalose. Entscheidend ist immer die Kombination der Werte.
Bei Neugeborenen ist der pO₂ physiologisch niedriger (50 bis 70 mmHg). Auch pCO₂-Werte können leicht erhöht sein. Daher müssen Referenzwerte altersgerecht interpretiert werden.
Laktat ist ein Marker für Gewebeoxygenierung. Werte über 2 mmol/L können auf eine Minderdurchblutung hinweisen und sind häufig mit Schock oder schwerer Sepsis assoziiert.
Arterielles Blut liefert die genauesten Werte für Oxygenierung und Ventilation. Venöse oder kapilläre Proben können für Screening und Verlaufsbeurteilung genutzt werden, ersetzen aber keine arterielle Analyse.
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