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Hinweis: Dieser Artikel richtet sich ausschließlich an medizinische Fachkreise.
Der Kreatinin-Blutwert ist einer der bekanntesten Laborwerte überhaupt. Er wird fast automatisch bei Routineuntersuchungen bestimmt und ist zentral für die Beurteilung der Nierenfunktion. Gleichzeitig birgt er zahlreiche Fallstricke: Normwerte schwanken, Einflüsse wie Muskelmasse und Ernährung verfälschen das Ergebnis, und die Interpretation erfordert Kontext. Dieser Artikel richtet sich an alle, die den Begriff „Kreatinin-Blutwert“ verstehen wollen – von der physiologischen Grundlage über Ursachen abweichender Werte bis hin zu praktischen Konsequenzen für Gesundheit und Versorgungssystem.
Den vollständigen Fachüberblick mit Leitlinien, Methoden und Praxisbezug bietet Kreatinin: kompletter Fachüberblick mit Leitlinien und Praxis.
Kreatinin ist ein Abbauprodukt des Energiespeichers Kreatinphosphat, der in der Muskulatur kontinuierlich anfällt. Der Prozess ist nicht enzymatisch, sondern spontan. Da die Produktion relativ konstant ist, hängt sie stark von der Muskelmasse ab (Ávila et al., 2025). Das Molekül wird fast ausschließlich über die Nieren ausgeschieden. Es passiert die glomeruläre Filtration nahezu ungehindert und wird in geringem Ausmaß auch tubulär sezerniert. Dadurch ist die Kreatinin-Konzentration im Blut eng mit der Nierenleistung verknüpft, allerdings mit Einschränkungen: Bei frühzeitigen Nierenschädigungen kann der Wert noch unauffällig bleiben.
Serum-Kreatinin ist seit Jahrzehnten der Standardparameter zur Überwachung der Nierenfunktion (Kashani, 2020). Welche diagnostischen Optionen insgesamt bestehen, lesen Sie im Überblicksartikel Kreatinin-Test: Optionen im Überblick. In Hausarztpraxis, Klinik, Intensivmedizin und Onkologie ist er unverzichtbar. Allerdings ist Kreatinin kein perfekter Marker:
Es steigt erst spät bei Nierenschädigung an.
Muskelmasse, Alter, Geschlecht und Ernährung beeinflussen den Wert.
Bei Kindern, Schwangeren oder älteren Patient:innen gelten besondere Regeln.
Daher empfehlen Leitlinien, Kreatinin nicht isoliert zu bewerten, sondern mit Schätzformeln für die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) zu kombinieren.
Erwachsene
Männer: 0,74 bis 1,35 mg/dL
Frauen: 0,59 bis 1,04 mg/dL (Mayo Clinic, 2025)
Kinder und Jugendliche
Normwerte variieren stark mit Alter und Muskelentwicklung. Bei Kleinkindern können Werte von 0,3 bis 0,7 mg/dL physiologisch sein (Shahbaz, 2024).
Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft sinkt Kreatinin leicht, da die Nierenfiltration steigt. Werte über 0,8 mg/dL können hier schon auffällig sein (Ávila et al., 2025).
Variation zwischen Laboren
Die angegebenen Referenzwerte sind methodenabhängig. Jaffé– und enzymatische Verfahren liefern leicht unterschiedliche Ergebnisse. Auch Labore setzen verschiedene Kalibrationen ein. Deshalb ist es wichtig, Werte stets im Kontext der jeweiligen Referenzspanne zu interpretieren.
Erhöhte Werte
Prärenal: Dehydratation, Hypotonie, Herzinsuffizienz
Renal: Akutes Nierenversagen, chronische Niereninsuffizienz, Glomerulonephritis
Postrenal: Harnstau durch Steine, Prostatahyperplasie, Tumoren
Weitere Einflüsse: hoher Fleischkonsum, intensives Training, Medikamente (Trimethoprim, NSAR, ACE-Hemmer, Metformin)
Niedrige Werte
Geringe Muskelmasse durch Alter, Unterernährung, Immobilisation
Schwangerschaft (physiologischer Abfall)
Lebererkrankungen mit verminderter Kreatin-Synthese
Sehr niedrige Kreatininwerte waren bei Männern mit Werten unter 1,20 mg/dL signifikant mit einem erhöhten Risiko für Typ 2‑Diabetes assoziiert, bei Frauen zeigte sich ein entsprechender Trend, der jedoch statistisch nicht signifikant war (Song et al., 2022)
Ein einzelner Kreatinin-Wert ist wenig aussagekräftig. Entscheidend sind Verlaufskontrollen und die Kombination mit der eGFR. Finden Sie hier einen vertiefenden Überblick zum Thema Albumin-Kreatinin-Quotient in der Diagnostik.
eGFR-Berechnung: Nutzt Formeln wie CKD-EPI oder EKFC, die Kreatinin, Alter und Geschlecht einbeziehen.
Kreatinin-Clearance: Bestimmt aus Blut- und 24-Stunden-Urin, besonders nützlich bei extremer Körperkonstitution oder fraglicher eGFR (Shahbaz, 2024).
Frühe Nierenschädigung: Kreatinin kann noch normal sein („kreatinin-blinder Bereich“). Hier sind Albuminurie oder Cystatin C oft sensitiver (Hundemer et al., 2024).
Differenzialdiagnosen bei erhöhtem Kreatinin umfassen nicht nur Nierenerkrankungen, sondern auch Kreislaufprobleme, Harnwegsobstruktionen und Medikamenteneffekte.
Ein veränderter Kreatinin-Blutwert bedeutet nicht automatisch, dass die Nieren irreversibel geschädigt sind. Wichtig ist die Einordnung im klinischen Kontext.
Medikamentenanpassung: Viele Arzneimittel (Antibiotika, Chemotherapeutika, Antikoagulanzien) werden renal ausgeschieden. Eine Dosisreduktion bei erhöhter Kreatinin-Konzentration kann lebenswichtig sein (McDonagh et al., 2023).
ACE-Hemmer: Ein Anstieg bis 30 % gilt meist als tolerabel und ist nicht automatisch Grund für Absetzen (Singer et al., 2016).
Akute Nierenschädigung: Rasch steigendes Kreatinin erfordert sofortige Ursachenklärung – Infusionstherapie, Absetzen nephrotoxischer Medikamente, ggf. Dialyse.
Niedrige Werte: Maßnahmen reichen von Ernährungsoptimierung bis zur Abklärung möglicher Leber- oder Stoffwechselerkrankungen.
Für das Gesundheitssystem ist der Kreatinin-Blutwert ein besonders effizienter Marker, weil er günstig, leicht verfügbar und in nahezu jeder Praxis oder Klinik bestimmbar ist. Hausärztinnen und Hausärzte nutzen ihn häufig als Basisparameter, um Nierenschäden bei Menschen mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder Herzschwäche frühzeitig zu erkennen.
Gleichzeitig erschweren Unterschiede in den Laborverfahren die Vergleichbarkeit, weshalb eine stärkere Harmonisierung der Referenzbereiche notwendig bleibt. In der täglichen Versorgungspraxis führt ein auffälliger Kreatininwert fast immer zu weiteren Untersuchungen – von Ultraschall und Computertomografie bis hin zu einer Vorstellung bei der Nephrologie.
Wird der Wert konsequent in Vorsorgeuntersuchungen integriert, können gefährdete Patient:innen bereits vor dem Auftreten schwerer Symptome identifiziert werden. Damit lassen sich nicht nur Dialysen oder Transplantationen hinauszögern, sondern langfristig auch erhebliche Kosten für das Gesundheitssystem einsparen.
Der Kreatinin-Blutwert bleibt ein unverzichtbarer Parameter, doch er darf nie isoliert betrachtet werden. Normwerte variieren, Ursachen sind vielfältig und Interpretation verlangt Kontext. Ergänzende Parameter wie eGFR, Cystatin C oder Albuminurie steigern die diagnostische Genauigkeit. Für das Gesundheitswesen ist Kreatinin ein kostengünstiger Marker, der frühzeitige Interventionen und Prävention ermöglicht.
Muskelmasse, Ernährung, Training oder bestimmte Medikamente können den Wert beeinflussen.
Bei Untergewicht, Lebererkrankungen oder auffälligen Stoffwechselparametern können niedrige Werte auf ein erhöhtes Risiko für Diabetes oder andere Erkrankungen hinweisen.
In der Regel nicht – ein Anstieg bis zu 30 % gilt als klinisch tolerabel.
Vor allem bei unklarer Muskelmasse, sehr schlanken oder muskulösen Menschen sowie beim Verdacht auf frühe Nierenschäden.
Ja, kurzfristig. Ein hoher Fleischkonsum oder intensives Training kann Werte erhöhen. Dauerhafte Abweichungen deuten jedoch meist auf eine medizinische Ursache hin.
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