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Hinweis: Dieser Artikel richtet sich ausschließlich an medizinische Fachkreise.
Neisseria gonorrhoeae, auch Gonokokken genannt, ist der Erreger der Gonorrhö, einer der weltweit häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Für Ärzt:innen und medizinisches Fachpersonal ist die Infektion hochrelevant, da sie diagnostisch anspruchsvoll ist und die zunehmende Resistenzentwicklung die Therapie erschwert. Dieser Beitrag beleuchtet Epidemiologie, Diagnostik, Therapieoptionen und Public-Health-Aspekte. Der Fokus liegt auf praxisnahen, evidenzbasierten Informationen.
Eine Einordnung aller sexuell übertragbaren Infektionen finden Sie in unserem Hauptartikel zu sexuell übertragbare Krankheiten.
Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es jährlich über 80 Millionen Neuinfektionen mit Neisseria gonorrhoeae. Europa meldet seit Jahren steigende Fallzahlen, zuletzt fast 97.000 bestätigte Infektionen in 28 EU-Ländern laut European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Männer sind häufiger betroffen, besonders in städtischen Regionen und in bestimmten Risikogruppen.
Seit Einführung der Meldepflicht 2022 steigen die Fallzahlen in Deutschland deutlich an, besonders bei jungen Erwachsenen. Auffällig ist zudem die Zunahme pharyngealer und rektaler Infektionen. Für Ärzt:innen bedeutet das, dass urogenitale Beschwerden bei sexuell aktiven Patient:innen konsequent auch im Hinblick auf Gonorrhö untersucht werden sollten.
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Neisseria gonorrhoeae ist ein gramnegatives Bakterium, das bevorzugt Schleimhäute infiziert. Pili und Oberflächenproteine erleichtern die Anheftung an Epithelzellen. Durch Antigenvariation kann der Erreger einer langfristigen Immunantwort entgehen, was wiederholte Infektionen begünstigt (Shaskolskiy et al., 2024).
Infektionsorte sind Harnröhre, Zervix, Rektum, Pharynx und Konjunktiven. Bei Frauen kann die Infektion unbemerkt aufsteigen und eine Adnexitis (Eileiterentzündung) verursachen, die die Fertilität gefährdet. Männer zeigen häufiger eine akute, symptomatische Infektion mit rascher Diagnosemöglichkeit.
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Die Übertragung erfolgt fast ausschließlich sexuell. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 2 bis 7 Tage; eine aktuelle Studie bei Männern zeigte eine mediane Inkubationszeit von 4 Tagen (Tran et al., 2024). Männer entwickeln meist eine akute Urethritis mit eitrigem Ausfluss und Dysurie (schmerzhaftes Wasserlassen). Frauen sind häufiger asymptomatisch oder zeigen nur diskrete Symptome wie Fluor (vermehrter Ausfluss).
Unbehandelt drohen schwerwiegende Komplikationen: Bei Frauen können Infektionen in das kleine Becken aufsteigen und zu chronischen Schmerzen oder Infertilität führen. Männer riskieren Nebenhodenentzündungen. Disseminierte Infektionen mit Gelenkbeteiligung sind seltener, aber möglich. Bei Neugeborenen kann die Infektion eine schwere Konjunktivitis verursachen. Zudem erhöht eine Gonorrhö die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Transmission.
Für die Diagnostik stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung:
| Verfahren | Prinzip | Vorteile | Grenzen |
|---|---|---|---|
| Mikroskopie | Gramfärbung von Abstrichen | Schnell, kostengünstig | Niedrige Sensitivität bei Frauen |
| Kultur | Anzucht auf Spezialnährmedien | Resistenzbestimmung möglich | Zeitaufwendig, hohe Anforderungen |
| NAAT (Nukleinsäure Amplifikationstests) | Nachweis bakterieller DNA | Sehr hohe Sensitivität und Spezifität | Resistenztest meist nicht möglich |
| POCT (Point of Care Testing) | Schnelltests direkt am Patientenort | Ergebnis in <60 Minuten, sinnvoll in Praxis/Klinik | Eingeschränkte Verfügbarkeit, höhere Kosten |
Der Goldstandard ist heute der NAAT (Nukleinsäure-Amplifikationstest). Dabei handelt es sich um molekulare Verfahren, die gezielt das Erbgut von Neisseria gonorrhoeae nachweisen. Das bedeutet: Schon kleinste Mengen bakterieller DNA oder RNA können vervielfältigt und sichtbar gemacht werden. Dadurch sind NAATs sehr empfindlich und liefern auch dann zuverlässige Ergebnisse, wenn nur wenige Erreger vorhanden sind.
Dennoch bleibt die Kultur unverzichtbar, da sie als einzige Methode eine Resistenzbestimmung ermöglicht (Yu et al., 2025). Für Kliniken empfiehlt sich daher die Kombination beider Verfahren: NAAT für die schnelle und sichere Diagnose, Kultur für das Antibiogramm.
Während in Zentrallaboren NAAT und Kultur kombiniert werden, um hohe Sensitivität und Resistenznachweise sicherzustellen, gewinnen in ambulanten Settings zunehmend NAAT-basierte Point-of-Care-Tests an Bedeutung. Diese liefern innerhalb von 30 bis 60 Minuten Ergebnisse und ermöglichen eine sofortige Therapieentscheidung, was besonders in Notaufnahmen, Hausarztpraxen oder spezialisierten Ambulanzen hilfreich ist.
In Zentrallaboren werden vor allem Nukleinsäure-Amplifikationstests, sowie ergänzend Kulturen eingesetzt.
NAAT gilt als Verfahren mit höchster Sensitivität und Spezifität, da selbst geringe Mengen bakterieller DNA oder RNA zuverlässig nachgewiesen werden können.
Kultur ist unverzichtbar für die Resistenzbestimmung und liefert wichtige Daten für die epidemiologische Überwachung.
Diese Kombination wird in internationalen Leitlinien (Unemo et al., 2020) als Goldstandard empfohlen, insbesondere bei komplizierten Infektionen, Therapieversagen oder in Regionen mit hoher Resistenzrate.
Ein Nachteil der Labordiagnostik sind die langen Prozesszeiten. Zwischen Probennahme, Transport ins Labor, Testdurchführung und Befundübermittlung vergehen oft ein bis drei Tage. Patient:innen benötigen daher meist einen weiteren Termin, bevor die Therapie starten kann.
Point-of-Care-Tests ermöglichen die Diagnostik direkt am Ort der Patientenversorgung. Moderne Systeme basieren häufig ebenfalls auf Nukleinsäure-Amplifikationstests und liefern Ergebnisse innerhalb von 30 bis 60 Minuten. Damit wird eine sofortige Therapieentscheidung möglich – besonders wertvoll in Notaufnahmen, Hausarztpraxen, ländlichen Regionen oder der Sexualmedizin, wo eine zeitnahe Behandlung entscheidend ist.
Ein entscheidender Vorteil von POCT liegt darin, dass Patient:innen in einem einzigen Termin sowohl Diagnose als auch Therapie erhalten können. Dadurch sinkt das Risiko von Therapieabbrüchen, und Studien belegen eine bessere Therapietreue sowie eine schnellere Unterbrechung von Infektionsketten (De Vos et al., 2024).
Die Schwächen liegen in der eingeschränkten Resistenzdiagnostik und den höheren Kosten pro Test. Für die Kontrolle von Resistenzen und die epidemiologische Überwachung bleibt daher die Labordiagnostik unverzichtbar, während POCT die Versorgung durch Geschwindigkeit und unmittelbare Entscheidungen ergänzt.
Die Therapie von Neisseria gonorrhoeae ist aufgrund zunehmender Resistenzen eine Herausforderung. Über Jahrzehnte eingesetzte Antibiotika wie Penicillin, Tetrazykline und Fluorchinolone sind heute kaum noch wirksam laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Leitlinienempfehlungen:
Für unkomplizierte Infektionen empfehlen die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) die intramuskuläre Einmalgabe von Ceftriaxon.
Die frühere Kombination mit Azithromycin war lange Standard, wird jedoch nicht mehr generell empfohlen, da auch hier die Resistenzraten steigen laut European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC).
Alternativen wie Gentamicin oder Ertapenem können in Einzelfällen eingesetzt werden, die Evidenzlage bleibt allerdings begrenzt.
Für Ärzt:innen gilt: Bei Therapieversagen sollte unbedingt eine Kultur mit Antibiogramm erfolgen.
Die Prävention umfasst Safer-Sex-Beratung, Screening in Risikogruppen und konsequente Partnernachverfolgung. In einigen Ländern gehört das Screening schwangerer Frauen zur Routine, um die Übertragung auf Neugeborene zu verhindern.
Die WHO und das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) warnen vor „Super-Gonokokken“, die gegen alle Standardantibiotika resistent sind. Neue Wirkstoffe, globale Surveillance-Programme und digitale Plattformen werden entscheidend sein, um dieser Entwicklung zu begegnen.
Neisseria gonorrhoeae bleibt eine der größten Herausforderungen der Infektionsmedizin. Ärzt:innen müssen bei urogenitalen Beschwerden konsequent testen. Nur durch die Verbindung von moderner Diagnostik, leitliniengerechter Therapie und konsequenter Prävention kann die Ausbreitung eingedämmt werden.
Am zuverlässigsten mit Nukleinsäure-Amplifikationstests (NAAT), ergänzt durch Kultur zur Resistenzbestimmung.
Männer zeigen oft eitrigen Ausfluss und Schmerzen beim Wasserlassen, Frauen sind häufig asymptomatisch oder haben unspezifische Beschwerden.
Leitlinien empfehlen Ceftriaxon als Standard, wobei Resistenzen zunehmend gemeldet werden.
Sehr relevant: Es gibt weltweit Stämme mit Multiresistenzen, weshalb Kultur und Antibiogramm wichtig bleiben.
Ja, moderne molekulare Schnelltests liefern Ergebnisse in 30–60 Minuten, erlauben aber meist keine Resistenzbestimmung.
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